Ein Fallbeispiel aus der Tonfeldtherapie

… damit du sehen kannst, wie kleine Kinder aus einem Trauma kommen und ihre Gewaltbereitschaft loswerden

Ein Fallbeispiel aus der Tonfeldtherapie: In dieser Woche war eine Sternstunde mit einem kleinen Kind, das mich noch vor ein paar Wochen gebissen hat. Die Gewaltbereitschaft endet.

Stell dir ein Kleinkind vor, das sich voller Angst unter dem Tisch verstecken muss – das dich im Spiel dann unerwartet attackiert. Wie aus dem Nichts, wie ein in die Ecke gedrängtes Tier. Ich habe Bissspuren am rechten Arm und und blutige Kratzer am linken. Einmal schüttet das Kleine beim Händewaschen nach der Sitzung direkt und hemmungslos einen vollen Becher Wasser auf meine Füße. Es ist schnell.

Kleine Kinder sind darauf angewiesen, dass sie die Liebe ihrer Eltern gewinnen – und das ist diesem kleinen Kind nicht gelungen. Was die Mutter angeht: weil das Kind dem Vater ähnelt. Im Aussehen, und noch wichtiger: im Verhalten. Ihre Mutter ist traumatisiert nach der Zeit der andauernden Gewalt durch ihren Mann. Sie ist wie eingefroren. Ihr Gesichtsausdruck lässt es vermuten. Und es ist offensichtlich, dass sie sich weder von den Vergewaltigungen erholen konnte, aus denen ihre Kinder stammen, noch mit der Gewaltbereitschaft des kleinen Kindes zu helfen weiß.

Das Vierjährige hemmt seine Motorik noch nicht, wie es dem Alter entsprechen würde. Das hindert es daran, seine Entwicklung aufzunehmen. Es eckt bei allen Kindern und Frauen und Mitarbeitenden im Frauenhaus an. Es beißt, tritt und schlägt alle. Es hat ein Baby ernsthaft verletzt. Es spuckt dich an. Es spuckt beim Abendbrot ins Essen aller. Oft rennt es panisch auf und ab. Obgleich es hier wirklichen Schutz hat, auf der Flucht vor den Schlägen, vor der gewaltigen Kraft ihres Vaters.

Ein Fallbeispiel aus der Tonfeldtherapie

Im Spiel: ein Auto steht für die Motorik. Es bekommt eine Garage, Schritt für Schritt. Diese steht für die Hemmung der Motorik. Diese Hemmung ist der Beginn jeglicher Intelligenz: aller Denk- und Gestaltungsprozesse im Leben.

Mit einem Klick auf das Foto kommst du zu einer kurzen, mit dem Handy gefilmten Tonfeld-Sequenz:

Ein Fallbeispiel aus der Tonfeldtherapie

Das Kind gestaltet die Garage eigenständig und baut sie selbst auf – und damit gleichzeitig die Fähigkeit zu hemmen (objektivieren) und zu gestalten. Es entwickelt einen neuen Umgang mit dem Auto, ganz ohne zerstören.

Und dann entsteht in einem anderen Bereich der Kiste der Platz, an dem die Oma wohnt, und diese wird jetzt besucht. Man fährt im Auto dort hin, bekommt Kuchen und Kakao und Gummibärchen (und Liebe) und kann gesättigt wieder ins Frauenhaus fahren, dorthin zurück, wo man jetzt angekommen ist und lebt: im geschützten Raum.

Uff! ich atme auf. Das war herausfordernd. Hoffentlich kommt nicht nochmal eine Wiederholungsrunde, in der das Kind mich wieder beißt. Seither hat es jedenfalls niemanden mehr angespuckt. Es attackiert andere Kinder nicht mehr – außer den Bruder, auf weniger gefährliche Weise. Wie man eifersüchtig mit einem kleinen Bruder streitet. Das Kleinkind kann jetzt in den Kindergarten gehen wie alle anderen auch. Das war schwer vorher: In einer Gruppe mit 40 Kindern und zwei Erzieherinnen musste eine der Frauen die ganze Zeit auf das vierjährige Kind aufpassen.

Wenn du dich für das Angebot Tonfeldtherapie interessierst, dann lies hier weiter. Zu einem Blogpost von Cornelia Elbrecht mit mehr über The World of Touch hier.


Über die Autorin

Andrea Brummack

Andrea Brummack ist Kunst- und Tonfeldtherapeutin, freie Sachverständige in Fragen sexualisierter Gewalt und Kinderschutzbeauftragte. Sie hilft Menschen, sexuelle Übergriffe zu bewältigen – auf der Basis nonverbaler Methoden.

Ihr Buch „Way Out: Sichere Hilfe für missbrauchte Kinder. Was hilft und was heilt“ ist beim Springer-Verlag Berlin Heidelberg erschienen. Sie lebt derzeit in einem Dorf bei Stuttgart, glaubt an die tägliche Portion Stille und liebt gut gemachte Krimis, in denen die Bösen ihr Fett abkriegen. Ohne Glitzer.

„Meine Vision ist eine neue Generation von sozialen Fachkräften, die leicht mit dem Thema sexualisierte Gewalt gegen Kinder umgehen. Ich wünsche mir lebendige Beziehungen im Kinderschutz. Und ich verstehe, dass sozialpädagogische Fachkräfte ihre Arbeit lieben – auch wenn der Stress gewaltig ist. Weil da diese Kinder sind. Diese kleinen, unverfälschten Menschen.”