💬 Andrea, warum ist die Bezeichnung ‚Opfer‘ für viele Betroffene belastend?
💬 Menschen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, wehren sich zu Recht gegen die Bezeichnung ‚Opfer‘. Sie empfinden das als problematisch, als stigmatisierend – eine Schublade, in die sie passen sollen. Entsprechend kann das Wort ‚Kindesmissbrauch‘ oder ’sexueller Missbrauch‘ verstanden werden. Als könnte ein Kind das ‚Objekt von Missbrauch‘ sein – benutzt und ohne Rechte.
Sexualisierte Gewalt reicht vom Benutzen und Beschmutzen ohne sichtbare Zeichen, über Eingriffe, die blutige Striemen und andere Spuren auf der Haut hinterlassen, lebensbedrohliche Überfälle bis hin zu tödlichen Attacken.
Als wäre ein Kind ein Ding, ein Objekt, an dem ein Anderer seine Aggressionen auslassen oder seine Macht ausüben darf.
Für Überlebende steckt in dem Wort ‚missbraucht‘: »Jemand hat etwas mit mir gemacht, das mich verändert hat. Mindestens ein Mal. Er oder sie hat mich vom Leben abgeschnitten, eine Grenze übertreten. Ich wurde geschädigt bis über die Grenze zum Unsäglichen. Ich habe Schmerzen – sichtbare und unsichtbare.
Damit ich aufatmen, mich entspannen und befreien kann, brauche ich ein Verständnis davon, was in meinem Leben passiert, einen (gefühlten) Sinn in dem, was geschieht, Erlebnisse der eigenen Wirksamkeit und Transformation, also Veränderung.
Mag sein, ich war ‚Opfer‘, aber ich bin es nicht mehr.«

P.S.: Wenn du für deine Organisation einen Workshop buchen möchtest, zum Beispiel zum Erkennen sexualisierter Gewalt gegen Kinder, dann schreib mir gerne eine Mail an: trains@andreabrummack.de
Über die Autorin

Andrea Brummack ist Kunst- und Tonfeldtherapeutin, freie Sachverständige in Fragen sexualisierter Gewalt und Kinderschutzbeauftragte. Sie hilft Menschen, sexuelle Übergriffe zu bewältigen – auf der Basis nonverbaler Methoden. Sie forscht zu Traumafolgelösungen, publiziert darüber und entwickelt Fortbildungen.
Ihr Buch „Way Out: Sichere Hilfe für missbrauchte Kinder. Was hilft und was heilt“ ist beim Springer-Verlag Berlin Heidelberg erschienen. Sie lebt derzeit in einem Dorf bei Stuttgart, glaubt an die tägliche Portion Stille und liebt gut gemachte Krimis, in denen die Bösen ihr Fett ab kriegen. Ohne Glitzer.
„Meine Vision ist eine neue Generation von sozialen Fachkräften, die leicht mit dem Thema sexualisierte Gewalt gegen Kinder umgehen. Ich wünsche mir lebendige Beziehungen im Kinderschutz. Und ich verstehe, dass sozialpädagogische Fachkräfte ihre Arbeit lieben – auch wenn der Stress gewaltig ist. Weil da diese Kinder sind. Diese kleinen, unverfälschten Menschen.”