Buchtipp: Für Kinder, die ohne ihre Mutter leben müssen

Der Findefuchs

Wie der kleine Fuchs eine Mutter bekam

Buchtipp für Kinder, die ohne ihre Mutter leben müssen. Der Findefuchs – und ich empfehle dieses schöne Buch mit aller Wärme.

Der Findefuchs: ein Buchtipp für Kinder, die ohne ihre Mutter leben müssen

Wer kennt sie schon, die Geschichte vom kleinen Fuchs?

Ich habe sie in meiner Zeit im SOS-Kinderdorf zum ersten Mal gelesen. Hm, früher habe ich schon in vielen Berufen gearbeitet. Als Tellerwäscherin, als Schreinerin auf Baustellen und in Restaurierwerkstätten, als Kunsthandwerkerin, als Kunsttherapeutin, als Praxisanleiterin für ein Jugendamt. Ich war auch Mutter (in ganz unterschiedlichen Zeiten: neben Beruf und Studium, in wilder Ehe, alleinerziehend – und in einer Patchworkfamilie.)

Und ich war im SOS-Kinderdorf Schwarzwald die Kollegin einer Kinderdorfmutter und habe sie während dieser Zeit auch in ihrer Familie vertreten.

In einem SOS-Kinderdorf leben Kinder und Jugendliche, die nicht bei ihren Eltern leben können, dürfen oder sollen. Das System geht auf Hermann Gmeiner zurück. Nach dem zweiten Weltkrieg waren viele Kinder verwaist. Und viele Frauen hatten ihre Männer verloren. Gmeiner zählte zwei und zwei zusammen und gründete 1949 den Verein SOS-Kinderdorf. Er brach sein Studium ab und widmete sein Leben seiner Vision: ein Zuhause für Kinder in Not zu schaffen, wo sie wie in einer Familie aufwachsen: mit einer SOS-Mutter, den Geschwistern, in einem Familienhaus, in einem schützenden Dorf.

Wenige Dinge waren in meinem Leben so verändernd wie diese. Ich denke, weil meine Mutter Kriegswaise war, hat es mich in diese Richtung gezogen. Wie auch immer: im SOS-Kinderdorf habe ich gelernt, was es heißt, für 8 Personen zu kochen, mich nach einer Haushälterin zu sehnen, immer Milch und Butter im Haus zu haben (weil wenn eine Nachbarin danach fragt, und auch dann, wenn sie nicht fragt, ist es gut, du kannst davon etwas abgeben). Ich habe gelernt Krisen, Krankheit und Tod, Neid, Scham, Verwahrlosung und Gewalt wegzustecken und Gefahren ins Auge zu sehen.

Nicht nur Kinder entwickeln sich in einer Pflegefamilie

Die Eltern werden an ihre Grenzen gehen und über sich hinauswachsen. Sie werden unglaublich viel lernen, und meistens genau das nicht können, was ihnen am meisten Angst macht. Und sie werden sich zeitweise so ausgelaugt fühlen wie ich damals. Vielleicht weinen sie vor Erschöpfung, und vielleicht fällt ihnen dann Der Findefuchs in die Hände. Wenn das so kommt, dann wird er sie trösten. Und ihre Kinder auch.

Ein kleiner Fuchs liegt einsam und verlassen im Gebüsch und fürchtet sich. Seine Mutter ist tot. Der Jäger hat sie erschossen.Da entdeckt ihn eine fremde Füchsin. Was soll sie nur tun? Sie hat doch schon drei Kinder, die sie ernähren muss. Aber allein kann das Füchslein nicht bleiben.Die Fuchsmutter ist tough genug, den Kleinen aufzuheben und mit nach Hause zu nehmen. Auf dem Weg begegnen ihr Gefahren. Sie kämpft um den kleinen Fuchs wie eine Füchsin eben um ihre Kinder kämpft. Am Ende wird aus dem Findefuchs das vierte Kind der Füchsin. Gerettet!

Ein Kinderbuch-Klassiker und eine therapeutische Geschichte

Dieser Kinderbuch-Klassiker erschien 1982 als Taschenbuch. 2007 hat er sich zum einmillionsten Mal verkauft! In Schweden wurde die Geschichte von dem kleinen Fuchs, der von einer fremden Füchsin zusammen mit ihren eigenen Kindern aufgezogen wird, sogar allen Eltern bei einer Adoption überreicht.

Fuchsmutter und ihr Kind

Die einfühlsame Geschichte hat natürlich bis heute Bedeutung. Und sie hat eine neue Dimension gewonnen. Die Füchsin, die den kleinen Waisenfuchs vorbehaltlos als ihr eigenes Kind annimmt, beweist Vertrauen ins Leben, sie ist großzügig, sie hat Akzeptanz für ein fremdes Wesen – und ganz selbstverständlichen Respekt. Sie beschützt.

Es ist ein Kinderschutz-Buch über die Qualität von Beziehungen, über Gegenseitigkeit, über Geben und Nehmen und darüber, wie auch D.W. Winnicott die Wechselseitigkeit in Kind-Erwachsenen-Beziehungen beschreibt (Reifungsprozesse und fördernde Umwelt). Du kannst ein Kind nicht isoliert, ohne seine Mutter, ohne seine Bindung, sein Umfeld verstehen, ohne ihm etwas zu stehlen. 

Die SOS-Kinderdörfer haben dazugelernt. Früher, wenn ein Kind aufgenommen wurde, sagte man beim Einzug zu ihm: du heißt jetzt anders, und diese Frau ist jetzt deine Mutter. Vergiss die alte Welt, das tut zu sehr weh.

Heute wissen wir zum Glück viel mehr über die Identität, über die Reifungsprozesse im Mutterleib, in der Säuglingszeit, der frühen Kindheit – und wie gut es tut, sie zur eigenen Geschichte dazu zählen zu können. 

Empfohlen ab 6 Jahren. Von Irina Korschunow, mit Illustrationen von Reinhard Michl. 

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Über die Autorin

Autorin Andrea Brummack

Andrea Brummack ist Trainerin für Stille, Expertin und freie Sachverständige in Fragen sexueller Gewalt sowie freie Kinderschutzbeauftragte. Sie hilft Menschen, sich von Gewalt zu erholen.

Ihr Buch „Way Out: Sichere Hilfe für missbrauchte Kinder. Was hilft und was heilt“ ist beim Springer-Verlag Berlin Heidelberg erschienen. Sie lebt mit ihrer Katze derzeit in einem Dorf bei Stuttgart, glaubt an die tägliche Portion Stille und liebt gut gemachte Krimis, in denen die Bösen ihr Fett ab kriegen. Ohne Glitzer.

„Meine Vision ist eine neue Generation von sozialen Fachkräften, die leicht mit sexuellem Missbrauch umgehen. Ich wünsche mir lebendige Beziehungen im Kinderschutz. Und ich verstehe, dass sozialpädagogische Fachkräfte ihre Arbeit lieben – auch dann, wenn der Stress gewaltig ist. Weil da diese Kinder sind. Diese kleinen, unverfälschten Menschen.“